Sternekoch Sebastian Cihlars

„Kochen ist keine Kunst“ – ein Blick hinter die Sternekulisse im Restaurant Schattbuch.

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Sebastian Cihlars ist wohl mit einer der jüngsten Sterneköche Deutschlands und spricht im Interview über die Kunst, Technik und Wissenschaft des Kochens.

Gute Konzepte entstehen, wenn man über den Tellerrand hinausblickt. Im Industriegebiet Amtzell entstand vor einigen Jahren eine Verbindung aus Technologie und Genuss, die in dieser Form einzigartig ist: das Schattbuch. Ein Gourmetrestaurant und die wahrscheinlich einzige Sternekantine Deutschlands. Dabei steht das Schattbuch mit seinem Michelin-Stern und 16 Punkten im Gault Millau zwar für gehobene Küche, aber kein abgehobenes Chichi. Im Jahr 2009 entstand das öffentliche Restaurant als Teil des Unternehmens fpt Robotik mit der Motivation, Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeiter zu bewirten. Einige Jahre später macht sich das Schattbuch weit über die Grenzen Oberschwabens hinaus einen Namen. Denn dass das Konzept aufgeht, finden nicht nur die Gäste, sondern auch die Restauranttester des Guide Michelin und kürt das Restaurant 2016 mit einem Stern. Heute werfen wir einen Blick hinter die Kulissen, genauer gesagt ins Herzstück des Restaurants: die Küche. Sebastian Cihlars ist wohl mit einer der jüngsten Sterneköche Deutschlands und spricht im Interview über die Kunst, Technik und Wissenschaft des Kochens.

<< Was ist Kochkunst?>>

<< Kochen ist keine Kunst. Sehr wohl aber das Anrichten, besonders natürlich in der Sterneküche. Sich Zeit zu nehmen und alles so zu arrangieren, um ein Kunstwerk auf dem Teller zu schaffen. Denn wir wissen ja: das Auge isst mit. Früher gab es hier eine bestimmte Ordnung: Fleisch, Beilage, Soße. Wichtig ist aber einfach, dass die Proportionen passen, es muss stimmig sein: Fleisch oder Fisch stehen im Mittelpunkt, dann die Beilage und erst dann kommen die Farben und Deko ins Spiel. Das entscheiden wir natürlich nicht am Abend spontan, sondern überlegen uns das bei jedem neuen Gericht im Vorfeld, probieren aus, drehen und wenden alles, bis es perfekt ist. Außer beim Querbeet, da gibt die Saison die Kreation vor..>>

<< Wie wichtig ist Technik?>>

<< Sie entscheidet über das Ergebnis. Das fängt schon damit an, wie man einen Fisch zerlegt. Bei der japanischen Technik „Ikejime“ beispielsweise wird der Fisch so getötet, dass das Fleisch keine Stresshormone abkriegt, den Unterschied schmeckt man natürlich. Dazu gehört aber auch wie man Fleisch, Gemüse oder Cremes zubereitet. Stimmt das Timing nicht, gibt es kein leuchtend grünes, sondern ein graues Spinatpüree. Gartemperaturen, Garzeiten und natürlich das richtige Werkzeug, vom Messer über den Backofen bis zum Herd – Technik, Technik, Technik >>

<< Ist kochen eine Wissenschaft (für sich)? >>

<< Im Bereich der 3-Sterneküche und Molekularküche bewegt man sich durchaus im Raum der Wissenschaft. Es gibt sehr spezielle Literatur, wie man Aromen kombiniert, was harmoniert, flavour pairings abseits von Standardkombinationen. Unser Dessert mit Limette, grüner Olive, Holunderblüte und weißer Schokolade ist ein gutes Beispiel dafür. Man kann aber natürlich auch einfach ausprobieren, die Wissenschaft basiert ja auch maßgeblich auf Versuchen. Erdbeeren und Senf, das passt zum Beispiel oder gefüllte Tintenfische mit Blutwurst. Manche geben Kakao in die Sauce zum Fleisch, wieder andere kombinieren weiße Schokolade mit Blumenkohl als Dessert. Das brauchen wir jetzt nicht, aber kann man machen. Und manche Dinge kocht auch die Sterneküche nur mit Wasser >>

Interview erschienen in TECHNE – Perspektiven aus Technik, Kunst und Wissenschaft 1/21