fpt-Chef Hermann Müller

Hermann Müller ist das, was man einen Vollblut-Unternehmer nennt. Er ist Inhaber eines Automatisierungsunternehmens, Sternerestaurants und seit Kurzem auch eines Stadthotels. Der Macher und Visionär im Interview.

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Lieber Herr Müller, dieses Mal ist das Thema ein sehr persönliches: Ihr Unternehmen. Denn Sie feiern 40- jähriges Jubiläum. Doch beginnen wir von vorn: Am Anfang gab es Sie und eine Vision – welche war das?

Ganz einfach: Automatisierung! Ich arbeitete als Entwicklungsleiter in einem Unternehmen, hatte aber irgendwie nicht die Plattform, diese Vision zu leben. Also machte ich mich 1982 selbständig, mit der Unterstützung meines damaligen Arbeitgebers. Die Arbeitslosenquote war hoch, die Wirtschaft ging schräg, aber wenn du jung und naiv bist, machst du es trotzdem. Ich war motiviert und sah das Potenzial der Automatisierung für die Zukunft. Zu dieser Zeit gab es ja im Grunde noch kaum Roboter in Deutschland. KUKA lieferte ein Jahr zuvor den ersten Roboter in Serie. Viele kleine Unternehmen im Bereich Kunststoff begannen langsam, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Wir waren ein kleines Team, nicht mehr als sechs Leute, aber es gab einen entscheidenden Vorteil: einen Kontakt nach Japan. Also lag die Idee für mich nahe, zu kooperieren und so sind wir an den Start gegangen.

… und die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf...

Nicht ganz. Wenn man jung und naiv ist, denkt man: In fünf Jahren habe ich es geschafft. Aber: Nach fünf Jahren hatten wir die erste Krise. Wir hatten die Handlings mit Drehstrommotoren gebaut, weil Servomotoren seinerzeit zu teuer waren. Doch das änderte sich schlagartig und wir haben es versäumt. Unser Umsatz brach gewaltig ein, keine Chance, Stammkunden weiter zu beliefern. Das war ein ganz schlechtes Jahr. Aber es hat uns für die Zukunft sensibilisiert. Die Erkenntnis: Man muss Veränderungen frühzeitig erkennen und sich rechtzeitig neu norden.

Was hat Ihr Unternehmen erfolgreich gemacht?

Den größten Erfolg sehe ich in den langjährigen Kooperationen mit großen Unternehmen, die nach und nach entstanden. ARBURG, SSI Schäfer, KUKA, Blum… Im Projektgeschäft gibt es wenig Umsatzsicherheit. Wenn du aus fünf Projekten einen Auftrag machst, hast du eine Krise, wenn du aus fünf Projekten drei machst, hast du Erfolg. Durch unsere Kooperationen haben wir an Stärke gewonnen. Es macht unsere Arbeit planbarer, aber nicht nur das: Durch unsere Partner haben wir die Chance, Wege zu gehen, die wir als Einzelner nicht gehen könnten. Vor allem gibt es uns die Möglichkeit, uns auf das zu konzentrieren, was wir am besten können. So haben wir immer wieder neue Technologien entwickelt. Bei manchen waren wir der Zeit voraus, sie wurden trotzdem (oder deswegen) kein Erfolg. Andere Dinge haben wir weit nach vorn gebracht. Zum Beispiel unsere Lösungen in der Kunststoffbranche. Projekte mit bis zu 13 Robotern an einer Produktionsmaschine kann man nur mit viel Expertise und Erfahrung umsetzen. Das ist schon erste Liga. 

Was machen Sie anders?

Was uns stark macht, ist die Kreativität. Das war am Anfang so und das ist heute noch so. Wenn man kreativ sein will, braucht man Freiheiten. Anfangs habe ich die Firma deshalb ohne Hierarchien geführt, aber zu einem großen Teil haben wir die Kreativität bewahrt. 

Apropos Kreativität: Ein typischer Arbeitstag von Hermann Müller – Gibt es diesen und wie sieht er aus?

Es gibt ihn, aber wahrscheinlich nicht so, wie man ihn sich vorstellt. Und er hat sich natürlich auch verändert. Wenn du ein Unternehmen gründest, dann hat dein Arbeitstag eben 14 Stunden inklusive Wochenende. Das ist so und das macht man auch mit Begeisterung. Gleichzeitig ist genau das der größte Fehler. Denn alle Ideen, die ich hatte und habe, entstanden nicht in der Firma. Firma ist Routine. Echte Visionen entstehen auf der Messe, im Auto, in der Kneipe oder nachts zuhause. Ich habe gelernt, auch diese Aufgabe wahrzunehmen: Die Kreativität nicht zu vernachlässigen. Der Schlüssel ist, dass die Routine nicht zu 100 Prozent den Tag raubt. Wenn du nicht die Muse hast, kreatives Denken einzubringen, sondern nur Routine machst, wirst du nicht weit kommen. Man braucht diese Freiräume.

Sie meinen, Freiräume auch für andere Themen und Projekte, wie zum Beispiel die firmeneigene Sternekantine?

 Vielleicht hat niemand so richtig verstanden, wie unser Restaurant entstanden ist. Es war eben nicht als Kantine geplant, diese ist das Ergebnis aus diesem Konstrukt. Vielmehr ging es darum, ein Kunden- und Schulungszentrum zu schaffen. Und im Laufe der Planung haben wir erkannt: Das System funktioniert, warum also nicht der Öffentlichkeit zugänglich machen? Das macht uns transparenter, wir haben ein Restaurant für unsere Kunden und eine Kantine für unsere Mitarbeiter. Eine geniale Kombination und ja: ein Riesenerfolg. Zum damaligen Zeitpunk gab es solche Konzepte tatsächlich noch kaum.

Worauf sind Sie (noch) besonders stolz?

Stolz? Schwieriges Wort. Ich bin der Meinung, man sollte eher demütig sein und dankbar. Deshalb nein, stolz auf mich bin ich nicht, aber ich bin dankbar, dass wir seit 40 Jahren hier die Löhne zahlen können, uns immer weiterentwickelt haben und das als Team. Wir haben auf allen Ebenen bis hin zur Geschäftsleitung eine Basis geschaffen, die uns auch für die Zukunft große Chancen bietet, noch lang erfolgreiche Wege zu gehen.

Was sagen Ihre Mitarbeiter über Sie?

Zum Glück weiß ich das nicht (lacht). Aber ich spüre eine hohe Solidarität und das ist natürlich doch etwas, worauf ich sehr sehr stolz bin: unsere Leute. Sie sind das wichtigste und höchste Gut. Wir haben tolle Mitarbeiter, tolle Begleiter in der Geschäftsleitung und ohne die ist der Erfolg nicht möglich. Das ist wie beim Sport: Je harmonischer das Team, desto mehr Spaß macht es. Eine Firma ist Teamsport.

Was sagen Ihre Kunden über Sie?

Man sieht, dass wir Kunden über viele Jahre als Partner haben. Ich denke, sie schätzen unsere Verlässlichkeit und unser Wort, aber auch unsere technologische Fähigkeit, einzigartige Automatisierungslösungen zu bieten. Mit vielen pflegen wir ein persönliches, beinahe freundschaftliches Verhältnis. Aber letztendlich wird ein Kunde nicht nur aus Sympathie mit dir arbeiten, sondern nur dann, wenn er einen echten Mehrwert sieht.

Ein Ausblick: Worin sehen Sie die größten Herausforderungen und Chancen für die Zukunft?

Die Welt verändert sich. Das ist klar. 4.0, Digitalisierung, KI… alles wichtige Themen, aber es wird noch weitere 10 Jahre dauern, bis man ordentliche Schnittstellen hat. Das ist eben das Ergebnis, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht. Und es wird nie eine Lösung für alles geben. Denn die Dinge verändern sich – laufend. Wir werden eine Autokrise haben, schlichtweg weil das E-Auto viel weniger Teile hat. Wir werden mit der Globalisierung zurückrudern, weil sie abhängig macht. Das ist ein gefährliches Spiel. Aber daraus ergeben sich auch Chancen, die wir nutzen können. Wir sprechen zum Beispiel schon seit Jahren darüber, dass Industrieunternehmen ihre Anlagen mittel- und langfristig nicht mehr kaufen, sondern diese nur noch nach Nutzung zahlen werden. Per Case, Paket in der Logistik oder pro Teil in der Produktion. Wie also können wir das anbieten? Das Ganze erfordert eine enorme Kapitaldecke, die ein Mittelständler gar nicht aufbringen kann. Das führt wieder zu neuen Abhängigkeiten, aber auch Chancen für neue Kooperationen. Hier kann man mit klugen Strategien profitieren.

Was bedeutet das für die Zukunft von fpt?

Man muss sich schlichtweg immer wieder neu aufstellen. Wir haben interessante Technologien, wie zum Beispiel den Digitaldruck. Auch die Standardisierung ist ein ganz wichtiges Element. Letztendlich muss man schauen: Wo ist der Markt, wo sind die Nischen, in denen wir erfolgreich sein können? Wir können nicht alles machen, sondern müssen die Dinge, die uns nach vorn bringen erkennen und forcieren. Unser Know-how ist der Schlüssel. Nicht zu machen, was andere machen, sondern unsere Stärken zu nutzen und das zu schaffen, was der Markt braucht. Das ist das Entscheidende.