Techno-DJ Dominik Eulberg

Silvermöve & Synthesizer: ein Interview zu später Stunde mit dem Techno-DJ und Naturschützer

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Zartes Vogelgezwitscher und dröhnende Bässe sind für Dominik Eulberg kein Widerspruch. Im Gegenteil: Als Techno-DJ und leidenschaftlicher Naturschützer manifestiert er die positiven Schwingungen, die er bei seinen kontemplativen Natur-Erfahrungen spürt, in Form von Melodien.

Dominik Eulberg ist ein hart arbeitender Handwerker, jemand, der alle Schritte der Produktion von Grund auf beherrscht und unermüdlich an kleinsten Details feilt. Und das hört man: Seine Musik berührt beim allerersten Hören, offenbart aber bei jedem weiteren Mal neue Details. Ähnlich wie bei einem Gang durch die Natur zeigen sich immer neue Strukturen, immer andere Verästelungen, eine sublime Komplexität.

„Mit elektronischer Musik lässt sich jede Klangfarbe generieren, die man sich nur vorstellen kann. Wie ein Maler die Natur auf einem Gemälde festhält, kann ich mit einer bunten Palette die größte Künstlerin von allen klanglich abbilden“, beschreibt Eulberg seine Arbeit. Geboren im Westerwald, wächst Dominik Eulberg nahe an Wäldern und Seen auf. Er beginnt, mit Synthesizern zu experimentieren, nachdem er bei den Nachbarskindern auf einem Ghetto-Blaster erstmals Sven Väth hört. Zunächst betreibt er reine Klangforschung, um zu verstehen, wie aus Strom ein akustisches Signal wird. Er kauft Synthesizer, baut sie auseinander und zusammen. Seine naturwissenschaftliche Neugier mischt sich mit der auf die technischen Produktionsmöglichkeiten. Doch erst zehn Jahre später, während seines Studiums der Biologie und Ökologie mit Schwerpunkt Naturschutz, beginnt der Vollblut-Autodidakt, seine Musik zu veröffentlichen. Eine gute Idee, wie sich herausstellt. Denn heute ist der Westerwalder international erfolgreicher DJ und Produzent, legt in den angesagten Clubs Europas auf, kann zahlreiche Preise und Chartplatzierungen vorzeigen. Sein Buch „Mikroorgasmen überall“ wurde 2021 als Wissensbuch des Jahres ausgezeichnet. Außerdem komponiert er für Kino- und Dokumentarfilme, ist Gastwissenschaftler am Museum für Naturkunde Berlin und Fledermausbotschafter des Deutschen Naturschutzbunds.

Kürzlich hat er das sechste Album veröffentlicht: Avichrom. Dieses Kunstwort bedeutet soviel wie „Vogelfarben“. Denn Eulbergs besondere Liebe gilt den Vögeln, die er schon seit seiner Kindheit mit Begeisterung beobachtet. Es ist ein Album, welches mitnimmt auf eine lange Reise, bei der man nicht viel redet, sondern sich berühren lässt von dem, was einem begegnet. Elektronische Musik ist für Dominik Eulberg dabei die „natürlichste Form der Musik“. Er vergleicht Technobeats mit dem ersten Geräusch, das ein Mensch hört: dem Herzschlag der Mutter. Mit dieser tiefen Naturverbundenheit hat es sich Eulberg zur Mission gemacht, die Einzigartigkeit der Natur vor der Haustür greifbar zu machen. Für ihn ist Musik der ideale Kanal, über den man Menschen erreichen kann, um sie für etwas Sinnhaftes zu sensibilisieren. Denn der DJ sieht ein großes Problem der heutigen Zeit darin, Wissen an ein breites Publikum zu vermitteln. „Wir schützen nur, was wir schätzen“, so Eulberg, „Klimawandel, Meeresspiegelanstieg… es ist wie in der Geisterbahn: Wenn das Schreckgespenst einmal rausgelassen wurde, zucken wir beim zweiten Mal schon nicht mehr. Wir leben in einem populistischem System, in dem es darauf ankommt, was mehrheitsfähig ist.“ Berührungspunkte sind für ihn deshalb Festivals, Clubs, Exkursionen und Vorträge. Hier berührt er besonders junge Menschen, sensibilisiert sie für die Schützenswürdigkeit der Natur. Dabei läuft er nicht Trends der Gegenwart hinterher, sondern schreitet auf dem eigenen Weg voran: „Ich habe keine Hörer vor Augen, wenn ich komponiere”, sagt Eulberg, „für das, was ich tue, bin nur ich selbst der Richter. Ich achte auf mein Gefühl, und was dann dabei herauskommt, das mache ich. Dann kann ich mir sicher sein, dass ich es auch in 20 Jahren noch hören kann und sage: ja, das ist gute Musik.”

Herr Eulberg, sind Sie Künstler, Techniker oder ist Ihre Arbeit nochmal eine Wissenschaft für sich?

Tja, was bin ich von Beruf? Es fällt mir schwer, das zu kategorisieren. Ich mache Dinge, die ich liebe und auf die ich Lust habe. Und gerade in den Ruderalzonen findet ja das Leben statt: Ob Waldrand, Küste oder Wiesenrand, die Übergangszonen sind die Hotspots der (Bio-) Diversität. Darin sehe ich meine Aufgabe: Als Grenzgänger zwischen den Welten zu switchen, Inhalte zu vermitteln und wichtige Lebensadern wieder herzustellen. Ich bin Technikfreak und betreibe mit großer Neugier avantgardistische Forschung. Weil technische Innovationen den Erfahrungshorizont erweitern. Das gleiche gilt für die Wissenschaft. Das Problem ist nur, dass die Verbindung fehlt. Wir haben gerade im Kontext der Ökokrisen ganz wunderbare Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber es fehlt Brücken zu schlagen. Wenn Inhalte zu schwer oder zu negativ sind, hört keiner zu. Deshalb müssen wir es umkehren, das Positive stärken. Und hier kommt die Kunst ins Spiel. Kunst, Kultur und Musik sind lustvoll. Deshalb ergeben die Themen Technik, Wissenschaft und Kunst für mich nur als Einheit wirklich Sinn und ein ganzes Bild.

Welche Inhalte sind das in Ihrem Fall?

Ich setze mich für die Natur ein. Sie ist unsere Lebensbasis, die Mutter, die uns nährt und nebenbei der einfachste, gesündeste und kostengünstigste Schlüssel zum Glück. Schon drei Stunden Waldluft reduzieren unsere Stresshormone um 50 Prozent. Kauf dich glücklich, höher, schneller, weiter, das funktioniert auf Dauer nicht. Vielmehr ist es doch wunderbar für die kollektive Psyche, wenn wir ausgeglichene Mitglieder in der Gesellschaft sind. Die Natur ist das beste Therapeutikum. Ich verstehe Naturschutz als positive Lebensphilosophie, die ich den Menschen nahebringen möchte. Das ist mein Weg, einen Beitrag zu leisten und das beglückt mich zutiefst. Das Abenteuerland beginnt direkt vor der Haustür.

Natur und elektronische Musik: Wo ist die Verbindung?

Es gibt einen permanenten Fluss des Lebens – „Panta Rhei“. Egal, ob wir uns anstrengen oder nicht, die Sonne geht auf und unter, die Erde dreht sich. Und diesen natürlichen, apodiktischen Fluss des Lebens findet man in der elektronischen Musik. Ein Techno-Set hat keinen Anfang und kein Ende. Man reitet auf dieser Welle. Sogar unsere Herzrate korreliert zu der rezipierten Beats-per-Minute-Rate. Der Mensch ist übrigens das einzige Wesen, das sich im Kollektiv zu einem externen Impuls synchronisieren kann. Das hat uns erst zur Hochkultur gebracht: Pyramidenbau, Ruderschiffe, Kriegstrommeln… und auch kollektives Zelebrieren. Ein sozialer Klebstoff, der Konflikte abgebaut und das Wir-Gefühl gesteigert hat. Das ist die Grundbewegung von Techno: Peace, Love and Unity. Auf der Tanzfläche sind alle gleich. Ich finde das schon sehr natürlich.

Apropos natürlicher Rhythmus: Wir gehen davon aus, Sie sind berufsbedingt eher eine Eule?

Bei mir ist der Name Programm: Ich war schon immer eine Eule. Als kleines Kind wollte ich nachts nie schlafen und für die Schule und Uni morgens so früh aufzustehen, war für mich der reinste Horror. Man muss herausfinden: Was ist Muster und was ist Charakter? Ich bin nachts am kreativsten und kann konzentriert arbeiten. Es ist einfach herrlich, wenn sich der Vollmond draußen im See spiegelt und alles ruhig ist. Das hat auch interessante Vorteile. Ich übernehme zum Beispiel in einem Kollektiv von Ornithologen immer die Nachtschicht. Da entdecke ich Vögel, die man sonst gar nicht mitbekommt, zum Beispiel den Wachtelkönig oder verschiedene Eulenarten.

Wie sieht für Sie das Zusammenspiel von technologischem Fortschritt und Naturschutz aus?

Die Natur müssen wir nicht schützen. Ist ein Planet mal mit Leben infiziert, kriegt man das nicht so schnell weg. Ich bin ein sehr technikaffiner Mensch. Gleichzeitig muss man Technik immer als Werkzeug verstehen und nicht selbst zum Werkzeug der Technik werden. Die Dosis macht das Gift. Man darf das überhaupt nicht verteufeln, sondern muss lernen, vernünftig und wohldosiert damit umzugehen.

Was können wir von der Natur lernen?

Leben gibt es seit rund 3,9 Milliarden Jahren auf der Erde und es gibt kaum etwas, was Mutter Natur nicht schon erfunden hat. Wir sollten mehr Vertrauen haben. Man kann von der Natur mehr lernen als von allen Büchern dieser Welt. Zuschauen, zuhören – ohne das Bedürfnis zu haben, permanent etwas ändern zu wollen. Dann begreift man, was wirklich wichtig ist. Unser großes Problem ist, dass wir zu viel um uns selbst kreisen. Wir sind Sklave unserer Gedanken, immer in der Zukunft oder in der Vergangenheit. Tiere hingegen sind immer im Hier und Jetzt. Ihnen zuzuschauen ist hochmeditativ. Es gibt so viele Wunder, die wir gar nicht wahrnehmen. Die Natur ist dankbar, freut sich über alles und vor allem: sie erfindet sich immer wieder neu.

Vielen Dank für das inspirierende Gespräch zu später Stunde!

Erschienen in: TECHNE – Perspektiven aus Technik, Kunst & Wissenschaft, 02/22