TV-Star ChrisTine Urspruch

Was muss am Filmset und auf der Bühne zusammenspielen, damit das Spektakel gelingt? Die richtige Technik, Talent, Mut? Die Schauspielerin ChrisTine Urspruch hat alles davon. Als Silke Haller ist sie gefeierter „Tatort“-Star und brilliert mit ihren Engagements auf der Theaterbühne. Im Interview spricht sie über mutige Entscheidungen, die Zukunft des Films und ihre neu gewonnene Faszination für Moore.

Bildschirmfoto 2023-09-21 um 13.36.43.png
Erschienen im Techne Magazin 3/2023. Foto: ® Jim Rakete

Es gibt Menschen, die durch ihre bloße Anwesenheit die Stimmung im Raum erhellen. Die, egal wo sie sind, nicht nur Blicke, sondern auch Sympathien auf sich ziehen. ChrisTine Urspruch ist so ein Mensch. Man kann sich der positiven Energie der Schauspielerin einfach nicht entziehen. Ich hatte die Freude für das TECHNE-Magazin mit ihr zu sprechen...

Beginnen wir direkt mit den Highlights: Frau Urspruch, was lieben Sie an Ihrem Beruf?

Das sind verschiedene Dinge. Zum einen ist es natürlich das Unterwegssein, in verschiedene Städte und Länder zu reisen und dort auf unterschiedlichste Menschen zu treffen. Diese ungeheure Abwechslung, die dieser Beruf bietet, ist ein Geschenk für mich. Das andere ist das Spielen, das Spielerische als solches. Wenn man so richtig drin ist in der Szene, dann ist das unbeschreiblich. Es macht mich persönlich glücklich. Das müssen nicht nur leichte oder lustige Szenen sein. Kürzlich habe ich einen heftigen Streit gedreht, wenn da alles läuft und gut zusammengeht, ist das sehr befrie-digend. Und was man bei allem nicht unterschätzen darf: den Adrenalinkick.

Was macht für Sie die Kunst des Schauspielens aus? Und wie wichtig ist die Technik?

Ich würde sagen 50:50. Natürlich ist das Talent wichtig, was man mitbringt und was einem gegeben ist. Aber auch ich habe natürlich Privatunterricht genommen und Workshops gemacht. Beim Dreh gibt es ganz viel Technik, die im Hinterkopf abläuft. Es gilt, bestimmte Parameter einzuhalten, zum Beispiel die richtige Position einzunehmen. Es nützt alles nichts, wenn ich plötzlich im Dunkeln stehe, weil ich mich aus irgendeinem Grund gerade nicht danach fühle, einen Schritt nach vorn zu gehen (lacht). Dann heißt es sofort: „Bleib im Licht.“ Auf der Bühne natürlich auch. Das Sendungsbewusstsein, die Stimme, gestützt und getragen. Aber es ist natürlich nicht alles bierernst nach Vorschrift, es ist immer etwas Spielerisches dabei.

Was muss am Set zusammenspielen, dass das Ergebnis gut wird?

Für mich entscheidend ist das Zusammenspiel mit den Kollegen. Die Chemie muss stimmen, das ist es, worauf es ankommt. Im Fall vom Münster-„Tatort“ ist es mit Jan Josef Liefers und Axel Prahl großartig. Wir kennen uns schon seit 20 Jahren, mein Gott, was für eine Zeit! Wir haben gerade unseren Jubiläums-„Tatort“ gedreht. Und ich bin – würde ich von mir behaupten – ein großer Teamplayer. In der Zusammenarbeit mit allen Kollegen, mit denen ich zu tun habe, schaue ich immer, dass es gegenseitig befruchtend und harmonisch abläuft.

Also Harmonie als Schlüssel eines perfekten Zusammenspiels?

Harmonie ist immer so eine Sache. Es kann natürlich auch mal disharmonisch sein. Es kann ja auch durchaus passieren, dass man sich mal nicht besonders mag. Trotzdem beziehungsweise gerade dann ist es wichtig, dass man sich die Bälle zuspielt. Fair Play ist mir ganz wichtig.

Wie sieht Ihr „Arbeitsalltag“ aus, wenn Sie in eine neue Rolle schlüpfen?

Ich komme gerade von den Dreharbeiten zu „Einspruch, Schatz!“ Als Hauptrolle mit 40 Drehtagen wird man zum Beispiel morgens um 6 Uhr abgeholt, dann werde ich zum Set gebracht, gehe in die Maske, bis wir dann starten, ist es vielleicht 8 Uhr. Dann drehe ich den ganzen Tag, einschließlich Mittagspause bis circa 18 Uhr. Im Anschluss werde ich wieder abgeschminkt, fahre nach Hause, lerne den Text für den nächsten Tag und bin platt (lacht). Man ist in dieser Zeit sehr beschäftigt mit der Rolle, das darf man nicht unter-schätzen. Die meisten Menschen stellen sich es vielleicht nicht so vor, aber selbst nach Feierabend denke ich darüber nach, was war und was kommen wird. Man ist einfach ein bisschen „druff“ – on air!

Sie vermitteln in Ihren Rollen eine solche Leichtigkeit: Was ist die größte Herausforderung dabei?

Die Gerichtsszenen waren für mich zuletzt besonders herausfordernde Drehtage. Wir hatten drei am Stück und diese Gerichtssprache ist wie eine Fremdsprache. So, wie ich kürzlich in einem französischen Film bei einem Dreh in Bordeaux französisch gesprochen habe, musste ich hier dieses typische Gerichtsdeutsch lernen, das war eine sehr große Herausforderung – und vor allem, wie es dann gelingt, dass trotzdem alles leicht aussieht. Das ist die große Kunst dabei, dass der Zuschauer diese Anstrengung nicht wahrnimmt. Man kann es nicht überspielen, es ist eher ein langsames innerliches Hocharbeiten auf das, was mich gerade herausfordert, aber dann ist diese Stufe ausgeblendet. Das lässt es dann wiederum leicht erscheinen und überzeugen.

Ihre Interessen sind nicht nur auf der Leinwand vielseitig. Seit Kurzem sind Sie Moorbotschafterin. Was hat es damit auf sich?

Ich bin seit letztem Spätsommer Moorbotschafterin beim NABU. Wir planen Lesungen und Auftritte, bei denen ich Geschichten aus dem Moor vortrage, sowohl fiktionale als auch dokumentarische. Zustande kam das Ganze über eine Fotosession mit dem NABU im Arrisrieder Moos im Allgäu. Ich habe von den Mooren geschwärmt, irgendwie kam der Kontakt zustande und sie haben mich kurzerhand zur Moorbotschafterin erklärt. Das ist ein wahnsinnig spannendes Thema. Wussten Sie, dass Moore ungeheure CO2-Speicher sind? Sie sind ganz wichtig für unser Umweltsystem – und es gibt einfach spannende Geschichten dazu. Von „Der Knabe im Moor“ angefangen bis zu Moorleichen, immer ein bisschen gruselig, aber das ist ja auch das Spannende und Reizvolle daran. Ich möchte einfach darauf aufmerksam machen. Renaturierung findet statt, aber da liegt in Zukunft noch sehr viel und wichtige Arbeit vor uns.

Apropos Zukunft: Wie sieht die Zukunft des Schauspielens aus?

Im Bereich Special Effects wird sich sicherlich vieles tun. Wir hatten kürzlich einen Kollegen, der sich ein Bein gebrochen hatte, da musste die Technik aushelfen: Weil eine Tanzszene vorgesehen war, musste ein Double für ihn einspringen. Man hat also das Double aufgenommen und dann gibt es die SFX-Leute, die hinterher das Gesicht unseres Schauspielers hineinprojizieren. Das war eine aus der Not geborene Tugend. Ich bin immer ganz altmodisch und denke, man muss ja aus Fleisch und Blut sein und „ich“ sein, um überhaupt spielen zu können. Aber so was wird öfters gemacht. Ansonsten wird sich sicherlich das ganze Fernsehverhalten verändern. Es gibt ja immer mehr Streamingdienste, Serien, in kleiner Aufmachung, aber mit viel größerer Reichweite, das ist eher die Zukunftsmusik.

Ihre Rollen sind unglaublich vielseitig. Gibt es eine Lieblingsrolle?

Ganz und gar nicht – weil ich alles total gern gespielt habe und spiele. Natürlich hatte ich beim „Sams“ am Anfang etwas Bedenken, aufgrund meiner Körpergröße dann auf dieses Genre abgestempelt zu sein. Aber das hat sich ja zum Glück nicht bewahrheitet, weil ich mich immer als Frau und Schauspielerin gesehen habe und auf Koboldrollen keine Lust hatte. „Das Sams“ zu verkörpern und mit Ulrich Noethen und Eva Matthes zusammenzuarbeiten, hat unglaublich Spaß gemacht. Und es hat mich weitergebracht, denn kurz darauf kam die Rolle für den „Tatort“ zustande. Im Augenblick spiele ich, wie schon erwähnt, eine Anwältin, zwei 90-Minüter, die im Herbst auf ARD zu sehen sein werden. Also wieder ein neuer Beruf.

Danke, liebe Frau Urspruch, für das inspirierende Gespräch!

Hier geht's zum vollständigen Artikel im Magazin